Grußadressen 2012


Grußadresse von Gunkl

Meine lieben Brüder und Schwestern im freien Geiste!

Danke für die Einladung, Schutzpatron dieser Veranstaltung zu sein. Das mach ich natürlich sehr gern. Vor allem vor dem Hintergrund, daß der Blasphemieparagraph verschärft werden soll.

Es ist ja bizarr genug, daß unter dem Welpenschutz religiöser Gefühle im täglichen Umgang die abseitigsten Behauptungen widerspruchsbefreit sind. Aber daß es jetzt gesetzlich verankert werden soll, daß sich so eine eifersüchtige, schmallippige Zickenfigur wie der christlich-jüdische Gott sich keiner humorigen Betrachtung zu unterziehen hat, ist ein Schlag ins Gesicht der Aufklärung.

Wir haben uns im Abendland in den letzten zwei Jahrhunderten ein paar wirklich sinnvolle Werkzeuge für den Dialog erfunden und zurecht gelegt; Logik und Überprüfbarkeit; das ist eine Währung, auf der kann man wirklich sinnvoll miteinander reden. Aber im Dialog mit der Religion haben Logik und Überprüfbarkeit allenfalls Exotenstatus. Wenn Logik da zulässig wäre, dann wäre die Sache mit dem ersten Gebot vom Tisch: „Du sollst keine Götter haben neben mir!“ Da hat Gott schon beim Vorstellungsgespräch großkalibrig durchs eigene Knie in den Ofen geschossen. „Du sollst keine Götter haben neben mir!“ ist für einen Gott mit monotheistischem Anspruch eine seltsame Forderung; wenn es ja nur einen Gott gibt, wie er ja sagt, dann ist die Anweisung so sinnvoll wie „Du sollst kein drittes Knie haben!“
Oder: Er weiß, daß es andere Götter sehr wohl gibt, und verlangt jetzt von uns, daß wir – wem nämlich? – vorlügen, daß es aber nur einen gibt. Das geht ja auch nicht. Oder (und das ist die lustigste Möglichkeit): Gott ist man nicht per Existenz, also weil man Gott IST, sondern Gott ist man nur, wenn man dazu GEMACHT  wird. Und zwar von UNS. Dann erübrigt sich die Sache mit Gott aber komplett.

Also, so ein löchriges Konzept, so einen fadenscheinigen Entwurf, der im Lichte ganz normaler Logik schon zerbröselt wie eine Sandburg unterm Wasserfall, so etwas nicht wenigstens genauer betrachten zu dürfen, ist unstatthaft.

Wenn wir in der Ideenlandschaft ein eigenes Terrain errichten, in dem das, was wir als Grundlage des Diskurses verwenden, außer Kraft gesetzt ist, dann muß dieses Sonderterrain aber auch wirksam abgeriegelt sein. Wer in Wolkenkuckucksheim draulosfabulieren will, soll das gerne tun dürfen. Aber kann nicht sein, daß der dann die Regeln, die dort gewährleisten, daß er nicht widerlegt werden kann, aus seinem Sonderideengatter heraus in die Welt tragen darf, und hier in der wirklichen Welt keinen Widerspruch zu befürchten hat.

Wer in der Welt mitreden will, hat sich den Regeln des Diskurses in der Welt zu stellen. Daß eine genaue Betrachtung Gottes ihn als lächerlich ausweist, kann nicht den Betrachtern angelastet werden. Die Lächerlichkeit kommt von dem Gottesentwurf selbst.

Darüber hinaus wünsche ich uns allen einen Heidenspaß!

Gunkl, Kabarettist, einer der beiden Schutzpatrone der „Frecher Mario“ Preisverleihung 2012


Grußadresse von Niko Alm:

„Blasphemie ist gar nicht lustig“


Es gibt viele Menschen, die glauben mir mit Blasphemie eine Freude machen zu können. Die posten mir dann lustige Bilder an die Facebook Wall, tweeten mir einen Link oder mailen mir (mit stark abfallender Tendenz) irgendetwas Gotteslästerliches. Manchmal weisen sie mich auch stolz auf eine kleine Übertretung der Meinungsfreiheit ihrerseits hin oder binden mich in amüsante Korrespondenzen mit den Behörden ein, wenn es um Kirchenaustritt geht.
Diese Teilhabe freut mich und meistens muss ich auch tatsächlich lachen. Doch gewisse Leute kennen auch beim Humor keine Grenzen, vor allem nicht jene, die zwischen lustig und langweilig verläuft. Billige Witze werden nicht besser, wenn Jesus oder Schweinefleisch darin vorkommen.
Nach mehrjährigem Engagement für die Trennung von Staat und Religion, wird die satirische Religionskritik für mich persönlich immer weniger spannend, wenn nicht sogar fast ein bisschen ermüdend. Das humoristische Potenzial von Mohammed-Karikaturen erschließt sich mir persönliche ebenso wenig, wie die dadurch ausgelöste Provokation. Ich würde viel lieber ein paar wirklich gute Atheisten-Witze hören.

Denn, und das ist jetzt nicht überraschend, Blasphemie ist für sich genommen gar nicht lustig. Blasphemie ist einfach freie Meinungsäußerung. Und das  ist ein demokratisches Grundrecht. Wie wir wissen, ist die primäre Aufgabe der Demokratie eben nicht die Diktatur der Mehrheit, sondern im Interessensausgleich auch eine Schutzfunktion für Minderheiten. Gerade das Recht seine Meinung frei zu artikulieren, wird ja in jenen Situationen beansprucht, wo Widerspruch zu erwarten ist.
Für Trivialitäten („Ich warte doch lieber auf den nächsten Autobus.“) ließ sich die Meinungsfreiheit nicht verbriefen. Auch Aussagen wie „Der Bau von Atommülllagern birgt für Geretsried hervorragende wirtschaftliche Chancen“ oder „Merkel und Gauck sind Ausdruck einer bigotten Pastoraldemokratie“ strapazieren die Meinungsfreiheit keinen Mikrometer. Selbst unverhohlene Angriffe auf religiöse Lehren „Das Spaghettimonster ist nichts weiter als das Ausscheidungsprodukt der galaktischen Peristaltik“, die dünnhäutigen Pastafaris beim Zwiebel Schneiden Tränen in die Augen treiben sind durch dieses demokratische Grundrecht problemlos gedeckt, wenn es sich bei der herabgewürdigten religiösen Lehre um keine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft handelt.

Hier wird nämlich in Österreich und Deutschland eine der wenigen Ausnahmen aus der Meinungsfreiheit gemacht. Diese Staaten kategorisieren Menschen nach ihrer Religion bzw. Weltanschauung in solche, die „gesetzlich anerkannt“ sind und solche, die es nicht sind. Neben einer Reihe anderer Sonderrechte kann auch die Beschränkung der Meinungsfreiheit von – in Österreich sind es 14 Kirchen und Religionsgesellschaften – strafrechtlich in Anspruch genommen werden. Die besondere Schutzwürdigkeit gerade jener Religionen, die sich ohnehin schon im privilegierten Status eines synkretistischen Staatskirchensystems befinden, ist also auch insofern paradox als ja gerade kleine Bekenntnisgemeinschaften, die diesen Schutz wohl am ehesten benötigen würden, gar nicht als schützenswert erachtet werden sind. Die Rücksichtnahme auf religiöse Gefühle ist also für die Gesetzgeberin erst dann relevant, wenn eine gesetzliche Anerkennung erfolgt ist.

Unterstellen wir einmal – entgegen meiner Überzeugung –, dass es religiöse Gefühle gibt und diese besonders verletzlich  sind. Bedarf ausgerechnet diese spirituelle Dimension einer staatlichen Billigung und Bevorzugung vor anderen menschlichen Emotionen? Natürlich nicht! Aber diese Frage ist nicht so rhetorisch, wie sie im ersten Augenblick scheint. Denn es geht bei der Blasphemie freilich nicht um die Sanktionierung der individuellen Beleidigtheit, sondern um die gesellschaftliche Durchsetzung von Sonderbehandlungen und in letzter Konsequenz um rechtliche Privilegien, wie klein auch immer sie sein mögen.
Blasphemie wird zur Rechtfertigung von Verhaltensweisen herangezogen, die auch sonst schwer rational zu erklären sind, wie zum Beispiel im Fall des sogenannten Mohammed-Videos, das im September zu Ausschreitungen im arabischen Raum führte. Aber Achtung! Diese bewusst gewählte Formulierung legt genau jene Kausalität nahe, die es natürlich gar nicht gibt. Selbstverständlich führte diese Video nicht zu spontanen Angriffen mit Panzerfäusten auf US-Botschaften. Blasphemie wird als Grund vorgeschoben. Ähnlich schlimme Angriffe auf den Islam sind mit Sicherheit online zu Hunderten und Tausenden zu finden. Ein Video, das niemand an Leib und Leben schädigt oder gar bedroht, ist auch hier Teil einer Berichterstattung, die ernsthaft diskutiert, ob Blasphemie so weit gehen darf.

Ja, sie darf!

Anstatt den Blasphemie-Paragraphen in Deutschland (§166 StGB) und Österreich (§188 StGB) ersatzlos zu streichen, werden von Politikern Vorschläge gemacht ihn zu verschärfen. Wir müssen diese unselige Verkettung von Blasphemie und Gewalt als jene Scheinkausalität bloßstellen, die sie ist. Die satirische Verarbeitung der Rolle von mythologischen Figuren in der Realität ist ein angemessener Weg. Der Freche Mario ein wichtiger Wegbegleiter.

Niko Alm, österreichischer Unternehmer und politischer Aktivist, einer der beiden Schutzpatrone der „Frecher Mario“ Preisverleihung 2012

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